Allgemeinverfügung – der Behörden-Zauberstab der Gegenwart

Ein toter Kranich reicht, und der Verwaltungsapparat läuft heiß – zwischen Vorsorge, Machtroutine und bürokratischem Selbstläufer.

Ein verendeter Kranich war am Donnerstag, 23. Oktober, zwischen Burgsolms und Albshausen im Lahn-Dill-Kreis entdeckt worden. Die Infektion wurde nun durch den Landesbetrieb des Hessischen Landeslabors in Gießen bestätigt. Eine Bestätigung durch das Friedrich-Löffler-Institut steht aktuell noch aus. Um eine Ausbreitung des hochansteckenden Virus zu verhindern, hat das Veterinäramt des Lahn-Dill-Kreises umgehend per Allgemeinverfügung die Einhaltung von Biosicherheitsmaßnahmen in Geflügelhaltungen im Kreisgebiet angeordnet.


Was früher der richterliche Beschluss war, ist heute die „Allgemeinverfügung“. Dieses kleine, bürokratische Zauberwort reicht aus, um binnen Stunden Maßnahmen zu verhängen, die sonst mühsam durch Gesetze, Anhörungen und Prüfverfahren müssten. Die Vogelgrippe in Solms ist nur das neueste Beispiel. Kaum ein infizierter Wildvogel gefunden, schon wird ein ganzer Kreis mit Auflagen überzogen.

Wer sich an die Pandemie erinnert, bekommt Déjà-vu: Auch damals war die Allgemeinverfügung das Lieblingswerkzeug der Gesundheitsämter. Sie ersetzte rechtliches Abwägen durch hektisches Handeln und plötzlich durfte man nur noch mit Formular, Maske und moralischem Überlegenheitsgefühl vor die Tür. Die Begründung war stets dieselbe: „Gefahr im Verzug“. Ein Satz wie ein Generalschlüssel.

Nun also wieder. Diesmal flattert kein Virus aus Wuhan, sondern aus den Wiesen an der Lahn. Wieder wird gewarnt, verfügt, verordnet, mit einer Selbstverständlichkeit, die sich still in den Verwaltungsalltag geschlichen hat. Eine Allgemeinverfügung ist nämlich praktisch: Sie wirkt wie ein Gesetz, kommt aber ohne Parlament. Sie gilt sofort, und wer sich beschweren will, darf das im Nachhinein tun, wenn’s schon zu spät ist.

Natürlich kann man argumentieren, das diene dem Schutz der Allgemeinheit. Nur ist genau das der Punkt: Unter diesem Etikett passt fast alles. Ob Maskenpflicht, Stallpflicht oder Bewegungsverbot, die Form bleibt dieselbe, der Inhalt austauschbar.

Juristisch ist das Ganze durchaus sauber, solange die Behörde die Verhältnismäßigkeit prüft und eine Begründung liefert. Aber das Grundproblem bleibt: Der Staat hat sich angewöhnt, Krisen nicht mehr zu managen, sondern zu „verfügen“. Und mit jeder neuen Krise wächst die Routine, mit der Bürgerrechte durch Verwaltungsakte ersetzt werden.

Ein infizierter Kranich genügt, um eine ganze Region zu reglementieren. Früher hätte man gelacht. Heute nennt man es „Vorsorge“.


Disclaimer: Dieser Beitrag stellt eine private Meinung im Rahmen der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 GG dar. Er erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder rechtliche Beratung im Sinne des RDG. Alle juristischen Einschätzungen dienen ausschließlich der öffentlichen Diskussion und nicht der individuellen Rechtsauskunft.

© 2025 Mirko Fuchs
Foto: KI-generiert


 


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