Aus Weihnachtsmarkt wird „Genussmarkt“ – Wie Kerpen die Besinnlichkeit abschafft und das Ganze als Fortschritt verkauft
Manchmal reicht ein Wort, um zu zeigen, wo ein Land steht. In Kerpen (NRW) heißt der Weihnachtsmarkt jetzt „Genussmarkt“. Kein Traditionsbruch aus Versehen, sondern ein stiller Abschied mit freundlichem Etikett. Offiziell wegen Bürokratie, Auflagen, Kosten. Inoffiziell? Vielleicht, weil das Wort Weihnachten in der öffentlichen Sprache zunehmend unbequem wird.
Die Aktionsgemeinschaft Kolpingstadt Kerpen (AGK) wollte schlicht keinen Ärger mehr. Der Aufwand für einen klassischen Weihnachtsmarkt sei zu groß: Sicherheitskonzepte, Sperrflächen, Versicherungen, alles teuer, alles bürokratisch. Also nennt man das Ganze um. Genussmarkt klingt harmloser, günstiger, rechtlich einfacher. Ein kluger Schachzug in einem Land, in dem man für einen Weihnachtsbaum fast ein Brandschutzgutachten braucht.
Aber genau hier beginnt der schale Beigeschmack: Der Trick funktioniert so gut, dass er Schule machen könnte. Heute Kerpen, morgen Köln, übermorgen jede zweite Stadt. Und irgendwann heißt Weihnachten überall einfach „Wintergenuss“.
Wer die Entwicklung aufmerksam verfolgt, ahnt: Hier geht es längst nicht mehr nur um Auflagen. Immer öfter werden Begriffe wie „Weihnachtsmarkt“ oder „Christkindlmarkt“ bewusst durch neutrale, unverfängliche Worte ersetzt. Mal angeblich aus Kostengründen, mal zur „Inklusion“, mal wegen „moderner Vermarktung“.
Der Verdacht drängt sich auf, dass es längst politisch oder kulturell erwünscht ist, das Wort Weihnachten allmählich aus der Öffentlichkeit zu verdrängen. Der neue Name lässt sich wunderbar verkaufen – „Genussmarkt“ klingt zeitgemäß, freundlich, unanstößig. Und keiner muss mehr erklären, warum man ein christliches Fest feiert.
Das perfide daran: Man kann es so hinstellen, als sei alles nur Pragmatismus. Die Stadt habe „keine Wahl“ gehabt, die Auflagen seien zu hoch, die Kosten zu stark gestiegen. Klingt nach Zwang, ist aber auch ein bequemer Vorwand, um sich stillschweigend vom alten Begriff zu verabschieden.
So verschwindet Tradition scheibchenweise, ganz ohne großes Verbot. Nur durch Bequemlichkeit und sprachliche Kosmetik.
Was in Kerpen passiert, ist mehr als eine lokale Anekdote. Es ist ein Symbol für eine Gesellschaft, die sich selbst neutralisiert, Schritt für Schritt, Wort für Wort. Wenn man Weihnachten nicht mehr so nennen darf, dann ist es auch kein Fest der Freude mehr, sondern eine Veranstaltung mit „Genussfaktor“.
Und so kann man den Verlust sogar verkaufen: als Modernisierung, als Fortschritt, als „zeitgemäßen Markt“. Der perfekte Euphemismus für eine stillgelegte Seele.
Disclaimer: Dieser Artikel ist eine Meinungsäußerung im Sinne von Art. 5 GG. Er stellt keine Tatsachenbehauptung über Einzelpersonen oder Institutionen dar, sondern kommentiert öffentlich zugängliche Informationen aus Quellen wie Rundschau-Online, Watson und Exxpress. Die Darstellung dient ausschließlich der gesellschaftlichen und politischen Meinungsbildung und enthält keine rechtliche oder amtliche Bewertung.
© 2025 Mirko Fuchs
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