Von der Leitlinie zur Leidlinie: Wie Schwarz-Rot den Naturschutz zerlegt
Die schwarz-rote Landesregierung betreibt einen Kahlschlag, nicht nur im Staatswald, sondern auch beim Vertrauen der Bürger.
Vor zwei Jahren haben CDU und SPD im Landtag hoch und heilig versprochen, dass der Naturschutzstandard im hessischen Staatswald unangetastet bleibt. Heute ist davon so viel übrig wie von einem Baum nach dem Harvester-Einsatz. Auf dem Papier hieß es: „Keine Verschlechterung des Naturschutzes während des FSC-Moratoriums.“ In der Realität: über 440.000 Habitatbäume sollen fallen – Bäume, die Heimat für Spechte, Fledermäuse, Käfer, Pilze und seltene Pflanzen sind. Die Koalition hat nicht nur die Motorsägen angeworfen, sie hat auch die Glaubwürdigkeit gleich mit gefällt.
Habitatbäume: Opfer einer „Mobilisierung“
Diese Bäume sind keine bloßen Stämme, sondern lebende Hochhäuser für bedrohte Arten. Die Naturschutzleitlinie von 2022 schrieb vor, dass pro Hektar zehn dieser ökologisch wertvollen Bäume erhalten bleiben müssen, in Schutzgebieten sogar fünfzehn. Die neue Linie halbiert die Zahl auf fünf. Das ist keine „Optimierung der Forstwirtschaft“, das ist ökologischer Kahlschlag im industriellen Maßstab.
Der Begriff „Mobilisierung der Holzvorräte“, den die Regierung benutzt, klingt nach technokratischer Effizienz. Tatsächlich bedeutet er, dass man das Tafelsilber des Landeswaldes verkauft, um kurzfristig Rohstoffversorgung für Sägewerke sicherzustellen – auf Kosten von Biodiversität, Klimaschutz und Generationengerechtigkeit.
Noch 2024 versprach Umweltminister Ingmar Jung öffentlich, dass sich am Naturschutz nichts verschlechtern werde. Auch SPD-Abgeordnete wie Alexander Hofmann legten im Landtag Beteuerungen ab, dass alles beim Alten bleibe. Heute zeigt sich: Das war entweder naive Hoffnung oder gezielte Täuschung. Wer solche Zusagen macht und dann das Gegenteil beschließt, beschädigt nicht nur den Wald, sondern auch das Vertrauen der Bevölkerung in politische Zusagen.
Aushöhlung des Naturschutzes auf ganzer Linie
Die neue Naturschutzleitlinie bringt nicht nur den Verlust von Habitatbäumen. Sie erlaubt Eingriffe in Naturwaldreservate, lockert die Regeln zum Holzeinschlag im Sommer, reduziert die Pflicht zum Erhalt alter Methusalembäume auf ein Feigenblatt und öffnet Tür und Tor für noch mehr Douglasien, Roteichen und andere standortfremde Arten. Der Wald wird so zum Plantagenbetrieb degradiert, während sein ökologischer Wert in rasantem Tempo sinkt.
Besonders skandalös: Der Naturschutzbeirat beim Landesbetrieb Hessen-Forst soll gleich ganz aufgelöst werden. Offenbar ist kritische Begleitung der Forstpolitik nicht erwünscht. Statt Transparenz gibt es Geheimhaltung, statt Dialog einen Freibrief für Harvester.
Wenn Bürgerinnen und Bürger erleben, dass Regierungen Zusagen brechen, sinkt nicht nur die Artenvielfalt, sondern auch die demokratische Resilienz. Wer soll künftig noch glauben, dass Koalitionsverträge oder Landtagsdebatten irgendein Gewicht haben?
Wälder sind mehr als Holzlager
Die uralten Bäume sind Klimaschützer, Wasserspeicher, Sauerstoffproduzenten und stille Zeugen der Geschichte. Sie haben Dürrejahre überlebt, Stürme ausgehalten und tragen genetische Informationen in sich, die für kommende Baumgenerationen überlebenswichtig sind. Ihre Fällung ist nicht nur ökologisch töricht, sie ist ein Angriff auf das „Gedächtnis des Waldes“.
Die schwarz-rote Koalition riskiert mit dieser Politik einen doppelten Schaden: ökologisch, indem sie den Lebensraum tausender Arten zerstört, und politisch, indem sie Vertrauen verspielt. Ein Land, das seine Wälder auf kurzfristigen Profit trimmt, verfehlt nicht nur seine eigenen Klimaziele – es verliert auch den Rückhalt seiner Bürger.
Disclaimer: Dieser Beitrag stellt meine persönliche, meinungsstarke Kommentierung nach Art. 5 GG dar. Alle Angaben basieren auf öffentlich zugänglichen Informationen (u. a. Landtagsdebatten, Regierungsverlautbarungen und Medienberichten). Wertungen und Formulierungen dienen der politischen Auseinandersetzung und sind nicht als Tatsachenbehauptung über das Verhalten einzelner Personen zu verstehen.
© 2025 Mirko Fuchs
Foto: KI-generiert
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