Zäune gegen Schweine – ein Lehrstück in angewandter Selbsttäuschung
Hessen errichtet entlang der Grenze zu Nordrhein-Westfalen einen rund 60 Kilometer langen Wildschwein-Zaun. Begründung: Man wolle die Afrikanische Schweinepest aufhalten. Es ist ein Satz, der sich harmlos liest, aber auf mehreren Ebenen erschütternd wirkt. Denn er zeigt, wie weit der Glaube an technische Machbarkeit und symbolische Politik inzwischen gediehen ist.
Der Zaun soll, so die offizielle Sprachregelung, die „Einschleppung der ASP nach Mittel- und Nordhessen verhindern“. Das klingt nach rationalem Krisenmanagement, nach Prävention und Schutz. In Wahrheit ist es ein Denkmal bürokratischer Hilflosigkeit. Schon der provisorische Elektroweidezaun, der vor einiger Zeit aufgestellt wurde, hat Unsummen verschlungen und nichts gebracht. Die Wildschweine, die man angeblich aufhalten wollte, haben ihn schlicht ignoriert. Sie sind durch, drüber oder drum herum. Die Natur folgt nun einmal nicht der Logik des Ministeriums.
Nun also der „feste“ Zaun. Draht, Pfosten, Dienstanweisungen. Die Neuauflage eines Irrtums, diesmal mit mehr Budget und weniger Selbstkritik. Dabei geht es längst nicht mehr um die Schweinepest. Es geht um Sichtbarkeit, um Aktivität, um das Gefühl, etwas getan zu haben. Denn in der Politik gilt die alte Regel: Lieber ein symbolischer Fehler als gar keine Schlagzeile.
Die Folgen sind absehbar. Der Zaun wird Lebensräume zerschneiden, Wildwechsel blockieren und Tierpopulationen voneinander trennen. Ein weiteres Beispiel für den politischen Reflex, Natur mit Planungsrecht zu begegnen. Man schafft Barrieren, wo man Verständnis bräuchte, und glaubt an Kontrolle, wo nur Demut helfen würde.
Die Ironie ist bitter: Während der Mensch sich in Sicherheit wiegt, dass ein paar Kilometer Maschendraht eine Seuche fernhalten könnten, bleibt das eigentliche Problem unberührt. Massentierhaltung, Tiertransporte über halbe Kontinente, falsche Agrarpolitik, all das sind die echten Schleusen, durch die Krankheiten reisen. Aber diese Ursachen sind unbequem, weil sie Veränderung erzwingen würden. Da baut man lieber Zäune.
Vielleicht wird dieser Zaun eines Tages als Mahnmal stehen. Nicht für den Schutz vor der Schweinepest, sondern für den Zustand einer Politik, die sich lieber selbst überzeugt als überzeugt zu handeln. Er steht für die Illusion der Kontrolle und für eine Gesellschaft, die den Wald nur noch als Kulisse sieht, nicht als System, das sich selbst zu helfen wüsste, wenn man es ließe.
Und irgendwo zwischen Haiger und Biedenkopf werden Wildschweine in der Dämmerung stehen, vor dem neuen Zaun, kurz schnüffeln und dann einfach drunter durch.
Disclaimer: Dieser Artikel ist eine private Meinungsäußerung im Sinne von Art. 5 GG. Er dient der kritischen, satirisch-intellektuellen Auseinandersetzung mit einem aktuellen politischen Vorhaben in Hessen. Alle Angaben erfolgen nach bestem Wissen, ohne Gewähr auf Vollständigkeit. Keine amtliche Mitteilung, keine wissenschaftliche Bewertung, keine Rechtsberatung.
© 2025 Mirko Fuchs
Foto: KI-generiert
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