Herborn – Wenn Sicherheit zum Placebo wird

Ein Kommentar zu Herborns neuem Poller-Fetisch

Die Stadt Herborn rüstet ihre Fußgängerzone auf. Versenkbare Poller, feststehende Poller, Funksysteme, Druckluftleitungen. Alles wirkt wie eine Mini-Version eines Hochsicherheitsbereichs, als hätte man die Innenstadt versehentlich mit dem Vorplatz eines Ministeriums verwechselt. Offiziell dient das Ganze der „nachhaltigen Sicherheitslösung“ und soll Veranstaltungen, Märkte und Demonstrationen besser schützen. Klingt nach Fortschritt. Tatsächlich sagt es aber mehr über die politische Grundstimmung unseres Landes aus als über Herborns Innenstadtplanung.

Vor wem schützen wir uns eigentlich?

Die Frage stellt sich niemand laut, weil sie unangenehm ehrlich wäre. Vor 2015 brauchte niemand in Herborn massives Metall, das hydraulisch aus dem Boden schießt, um den Weihnachtsmarkt zu sichern. Heute gehört es zum neuen Normal. Kaum jemand spricht darüber, warum diese Entwicklung so rasant und selbstverständlich Einzug gehalten hat. Stattdessen biegt sich die öffentliche Kommunikation in Wattewörter wie „Flexibilität“, „Stadtbild“ und „Verkehrssteuerung“.

Klartext wäre einfacher, aber politisch giftiger: Die Poller stehen nicht da, weil Autofahrer plötzlich wahnsinnig geworden wären. Sie stehen da, weil man die Konsequenzen bestimmter politischer Entscheidungen nicht offen diskutieren will. Und weil man Risiken lieber baulich verwaltet, statt sie politisch zu lösen.

Während Herborn nun stolz pneumatische Technik per Rathaus-Funksteuerung präsentiert, wächst der Eindruck eines Staates, der sich lieber einrüstet, anstatt sich zu positionieren. Poller als Ersatz für politische Klarheit. Edelstahl statt Ehrlichkeit.

Was fehlt, sind politische Entscheidungsträger, die den Mut haben, Probleme direkt anzusprechen, statt „nachhaltige Sicherheitslösungen“ zu formulieren, die jede unangenehme Wahrheit umkurven. Sicherheit entsteht nicht durch Technik, sondern durch Haltung. Durch Führung. Durch Entscheidungen, die man nicht in Beton gießen muss, weil sie gesellschaftlich tragen.

Poller behandeln Symptome, nicht Ursachen

Am Ende ist diese Poller-Offensive ein Symbol für etwas Größeres: Wir bauen physische Barrieren, weil wir mentale vermeiden wollen. Wir schützen Räume, weil wir Diskussionen meiden. Man rüstet sich gegen die Folgen, ohne die Ursachen zu berühren. Ein stummes Eingeständnis, das niemand so nennen darf.

Herborn ist damit kein Sonderfall, sondern ein Beispiel für eine landesweite Entwicklung: Die öffentliche Sicherheit wird verwaltet wie ein Bauprojekt, nicht wie eine politische Aufgabe.


Hinweis: Das Titelbild ist kein reales Foto, sondern eine künstlich erzeugte Darstellung zu Illustrationszwecken.


Disclaimer: Dieser Text ist eine meinungsgeprägte Kommentierung der beschriebenen städtischen Maßnahmen. Er enthält keine Tatsachenbehauptungen über individuelle Personen oder Vorgänge außerhalb der öffentlich zugänglichen Informationen. Alle Bewertungen stellen eine durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützte persönliche Meinung dar.

© 2025 Mirko Fuchs


 


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