Eine neue Umfrage zeigt, wie stark die Zuversicht in die demokratische Problemlösungskraft erodiert
Die Zahlen, die das Institut für Demoskopie Allensbach jüngst erhoben hat, wirken wie ein loop Schlag in die Magengrube: Immer weniger Menschen in Deutschland glauben, dass demokratische Systeme Krisen besser bewältigen können als autoritäre. Noch 2023 waren 53 Prozent überzeugt, dass Demokratien militärische Krisen effektiver meistern. Heute sind es laut Allensbach nur noch 44 Prozent. Beim Thema Pandemien fällt der Wert sogar von 57 auf 41 Prozent. Parallel dazu steigt die Zahl derjenigen, die autoritären Systemen größere Effizienz zuschreiben.
Solche Ergebnisse sind mehr als momentane Stimmung. Sie spiegeln ein gewachsenes Misstrauen gegenüber politischen Institutionen und staatlichem Handeln. Und sie zeigen ein Problem, das man nicht mit alarmistischen Parolen kaschieren kann: Das Vertrauen der Bürger ist nicht einfach verschwunden, sondern wurde über Jahre hinweg abgetragen.
Vertrauen verliert man nicht über Nacht
Viele Menschen haben in den vergangenen Jahren erlebt, wie politische Kommunikation und politische Praxis auseinanderdriften. Entscheidungen wurden oft als alternativlos präsentiert, während die Folgen von Krisenpolitik und Symbolentscheidungen immer deutlicher sichtbar wurden. Die Corona-Politik war ein Brennglas: hektisch, oft uneinheitlich, und begleitet von einem Tonfall, der Kritiker schnell in Schubladen sortierte. Wer damals den Eindruck gewann, staatliche Eingriffe seien eher Ausdruck politischer Selbstsicherheit als überprüfbarer Notwendigkeit, vergisst das nicht so schnell.
Im sicherheitspolitischen Bereich setzt sich dieses Muster fort. Seit Jahren wird eine „Zeitenwende“ beschworen, während viele Bürger den Zustand der Bundeswehr als Ausdruck struktureller Überforderung wahrnehmen. In solchen Kontrasten wächst der Zweifel: Wird da wirklich ein Land fit gemacht für eine unsichere Weltlage, oder verwaltet man vor allem das eigene Image?
Wenn groß angekündigte Politik auf klein wirkende Realität trifft
Die Ergebnisse der Allensbach-Umfrage zeigen nicht, dass ein Drittel der Bevölkerung plötzlich eine Sehnsucht nach Autokratie hat. Die Zahlen zeigen vielmehr, dass ein erheblicher Teil der Bürger die reale Leistungsfähigkeit des politischen Betriebs kritisch bewertet und Vergleiche zieht, die man nicht einfach durch moralische Appelle aus der Welt bekommt.
Es entsteht ein gefährlicher Eindruck: dass demokratische Strukturen zwar beschworen werden, in der politischen Praxis aber zunehmend ein autoritärer Stil Einzug hält. Strenge Regulierung, politische Umerziehungsrhetorik, ein oft aggressives Wegsortieren abweichender Meinungen. All das wirkt auf viele Menschen wie eine Annäherung an autoritäre Kulturtechniken, nur ohne deren Effizienz. Die Folge sind Verwirrung, Ablehnung und ein wachsendes Gefühl, dass Entscheidungsprozesse nicht mehr auf Transparenz, Debatte und demokratischem Wettbewerb beruhen.
Der Kern der Krise liegt nicht beim Bürger
Die wachsende Skepsis ist kein Ausdruck mangelnden Demokratieverständnisses in der Bevölkerung. Sie ist Ausdruck eines politischen Klimas, das berechtigte Kritik häufig als Angriff auf die Demokratie auslegt und damit Diskussionen verengt, statt sie zu öffnen. Eine Demokratie lebt von der Fähigkeit, Alternativen zuzulassen und Vertrauen durch Verlässlichkeit, Rechtsstaatlichkeit und nachvollziehbare Entscheidungen zu verdienen.
Dass viele Menschen derzeit anders empfinden, sollte nicht ihnen angelastet werden, sondern einer politischen Kultur, die an klarer Selbstreflexion spart.
Eine Demokratie muss demokratisch handeln
Wenn demokratische Systeme Vertrauen zurückgewinnen wollen, müssen sie zeigen, dass sie Probleme tatsächlich besser und freier lösen als autoritäre Systeme. Das bedeutet: transparente Entscheidungsprozesse, sachorientierte Debatten, klare Verantwortlichkeiten und die Bereitschaft, Fehler einzugestehen und zu korrigieren.
Das aktuelle Umfrageergebnis ist deshalb keine Warnung vor den Bürgern, sondern eine Warnung an die politische Klasse. Wer demokratische Werte ernst nimmt, darf sie nicht nur rhetorisch verteidigen, sondern muss sie im Handeln sichtbar machen.
Für mich zeigt diese Umfrage vor allem eines: Die Menschen verlieren nicht den Glauben an die Demokratie an sich, sondern an die Art und Weise, wie sie in diesem Land derzeit praktiziert wird. Ich kann niemandem verdenken, dass er sich fragt, ob das politische System noch in der Lage ist, Krisen klar, fair und nachvollziehbar zu lösen. Wenn Vertrauen so deutlich sinkt, ist das kein Zeichen von Radikalisierung der Bevölkerung, sondern ein Hinweis darauf, dass die Institutionen ihre Aufgabe, Orientierung zu geben, nicht mehr erfüllen.
Ich wünsche mir eine politische Kultur, die Kritik nicht reflexhaft moralisiert, sondern ernst nimmt; die Konflikte aushält, statt sie zu tabuisieren; und die demokratische Prinzipien nicht nur als rhetorische Fassade benutzt, sondern tatsächlich lebt. Nur dann kann Vertrauen zurückkehren und nur dann bekommt die Demokratie jene Kraft zurück, die sie auszeichnet.
Disclaimer: Dieser Artikel stellt eine politische Meinungsäußerung dar. Er basiert auf öffentlichzugänglichen Informationen, insbesondere den in Medien berichteten Ergebnissen des Instituts für Demoskopie Allensbach. Er erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und enthält keine überprüfbaren Tatsachenbehauptungen über einzelne Personen.
© 2025 Mirko Fuchs
Foto: KI-generiert
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