Wenn Silvester zur Belastung wird – Tierleid, Gewalt und die Frage nach Verantwortung
Zu diesem Thema habe ich bewusst nicht nur einen Artikel geschrieben, sondern bin einen Schritt weiter gegangen. Worte allein reichen oft nicht aus, um das Gefühl dahinter zu transportieren. Deshalb habe ich auf Basis meines Textes einen Song erstellt. Musik erreicht oft dort, wo reine Argumente verhallen, sie macht Emotionen hörbar und zwingt zum Hinfühlen statt zum Wegklicken. Der Song ist keine Spielerei, sondern eine andere Form, dieselbe Botschaft klar und ungeschönt zu transportieren.
Zu laut für Mitgefühl
Song & Text: Mirko Fuchs
Musik: KI-generiert mit Suno
Wenn Freiheit bedeutet, dass andere den Preis zahlen
Die Ausgangslage ist schnell erzählt. Trotz wachsender Kritik an privatem Silvesterfeuerwerk sieht der größte deutsche Hersteller keinen Anlass für Einschränkungen. Umsatzrekorde gelten als Beleg gesellschaftlicher Akzeptanz, Umwelt- und Tierschutzbedenken werden relativiert, Betroffene sollen sich anpassen. Wer Angst hat, krank ist oder Verantwortung für Tiere trägt, bleibt eben drinnen. So lässt sich die Haltung zusammenfassen, mit der die Branche zum Jahreswechsel auftritt.
Was hier als nüchterne Analyse verkauft wird, ist in Wahrheit eine bemerkenswerte Verschiebung von Verantwortung. Nicht das Produkt steht zur Debatte, sondern der Mensch, der darunter leidet. Tiere sollen Stress „aushalten“, Kranke sich einschließen, sensible Gruppen sich zurückziehen. Rücksicht wird zur privaten Angelegenheit erklärt, während der kommerzielle Ausnahmezustand zur gesellschaftlichen Normalität erhoben wird. Ein Tag im Jahr, heißt es dann gern. Als wäre Intensität egal, solange sie im Kalender gut versteckt ist.
Besonders zynisch wirkt der Umgang mit Tierschutzargumenten. Weil es keine flächendeckenden Statistiken über verendete Wildtiere gibt, wird das Problem kurzerhand für unbelegt erklärt. Das ist ungefähr so überzeugend wie die Behauptung, es gebe keinen Sturm, solange niemand exakt nachgezählt hat, wie viele Dachziegel geflogen sind. Wer regelmäßig in der Natur unterwegs ist oder mit Tierärzten spricht, weiß, dass Panik, Fluchtreaktionen, Verletzungen und Desorientierung an Silvester keine Einbildung sind. Dass man diese Realität mit einem Schulterzucken abtut, sagt mehr über die Haltung dahinter als über die Faktenlage.
Auch gesundheitliche Risiken werden erstaunlich locker wegmoderiert. Feinstaubspitzen seien kurz, der pyrotechnische Staub angeblich weniger schädlich, also bitte Fenster zu und durch. Dass gerade kurze, extreme Belastungen für Menschen mit Atemwegserkrankungen problematisch sind, wird zwar eingeräumt, aber sofort individualisiert. Wer betroffen ist, hat sich eben anzupassen. Der öffentliche Raum gehört in dieser Nacht nicht allen, sondern denen, die es krachen lassen wollen.
Hinzu kommt der Realitätsverlust beim Thema Sicherheit. Alkohol, Feuerwerk und dicht besiedelte Wohngebiete sind eine bekannte Mischung. Dass der private Gebrauch von Pyrotechnik aus gutem Grund fast das ganze Jahr verboten ist, wird gern verdrängt. Stattdessen verweist man auf bestehende Regeln, die schon heute nicht konsequent durchgesetzt werden. Das Argument ist bemerkenswert: Weil Kontrolle schwierig ist, soll am System nichts geändert werden. Dass genau dieses System Jahr für Jahr Polizei, Rettungsdienste und Krankenhäuser an die Belastungsgrenze bringt, wird als Kollateralschaden verbucht.
Illegale Böller dienen dabei als bequemes Ablenkungsmanöver. Natürlich sind sie gefährlich, natürlich gehören sie bekämpft. Doch das entlastet das legale Massenfeuerwerk nicht von seiner Wirkung. Wer so tut, als entstünden Probleme ausschließlich durch „die Illegalen“, macht es sich zu einfach. Das Grundproblem bleibt die flächendeckende Erlaubnis für eine Praxis, die Lärm, Müll, Stress, Verletzungen und Kosten produziert und deren Nutzen sich im Wesentlichen auf Sekunden des Spektakels beschränkt.
Am Ende läuft alles auf ein erstaunlich ehrliches Bekenntnis hinaus. Das Geschäftsmodell ist nicht verhandelbar, Anpassung unmöglich, Alternativen uninteressant. Weder zentrale Feuerwerke noch technologische Entwicklungen noch neue Formen des Jahreswechsels spielen eine Rolle. Tradition wird als Schutzschild genutzt, Selbstbestimmung als Totschlagargument. Dass Freiheit dort endet, wo sie anderen schadet, scheint in dieser Logik nicht vorzukommen.
Vielleicht ist genau das der Kern der Debatte. Es geht längst nicht mehr nur um Raketen und Böller, sondern um die Frage, wie viel Rücksicht eine Gesellschaft sich selbst wert ist. Ob wirtschaftliche Interessen und Gewohnheiten automatisch über Tierwohl, Gesundheit und öffentlicher Sicherheit stehen sollen. Oder ob man den Mut hat zu sagen: Nur weil wir etwas schon immer so gemacht haben, muss es nicht richtig sein.
Disclaimer: Dieser Beitrag stellt eine meinungsbetonte Auseinandersetzung mit öffentlich zugänglichen Aussagen und der gesellschaftlichen Debatte um privates Silvesterfeuerwerk dar. Er erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ersetzt keine wissenschaftliche oder rechtliche Bewertung.
© 2025 Mirko Fuchs
Foto: KI-generiert
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