Wenn Symbolpolitik im Kreis wichtiger wird als echte Verantwortung

CDU Lahn-Dill kürt auf Parteitag einen Spitzenkandidaten, der ein Kreistagsmandat faktisch nicht antreten könnte

Auf dem Kreisparteitag in Aßlar hat die CDU Lahn-Dill ihren Spitzenkandidaten für die Kreistagswahl 2026 vorgestellt. Genau dort beginnt der Widerspruch, der den gesamten Wahlauftakt prägt. Die Partei setzt ausgerechnet auf Landrat Carsten Braun als Nummer eins der Liste, obwohl klar ist, dass er ein Kreistagsmandat nur antreten könnte, wenn er zuvor sein Hauptamt als Landrat niederlegt. Da keinerlei Hinweise bestehen, dass er diesen Schritt überhaupt in Erwägung zieht, steht er der CDU für ein solches Mandat faktisch nicht zur Verfügung. Trotzdem feiern es die eigenen Mitglieder als „wichtiges Zeichen“. Für viele wirkt es eher wie ein Offenbarungseid: Man braucht die Strahlkraft des Landrats, obwohl er real nicht zur Verfügung steht.

Damit wird die eigentliche Lage des Lahn-Dill-Kreises nicht besser kaschiert. Die Finanzen sind angeschlagen, das Rücklagenkonto seit Juli leer und eine nachhaltige Lösung weiterhin nicht sichtbar. Dennoch verkauft die CDU ihren Parteitag als Startschuss für Aufbruch und Stabilität. Die Realität lässt sich davon nicht beeindrucken.

Auch die inhaltlichen Schwerpunkte wirken wie ein Déjà-vu aus vergangenen Wahlkämpfen. Wieder tauchen die bekannten Schlagworte zu Mittelstand, Infrastruktur, Bildung und Sicherheit auf, die Handlungsfähigkeit suggerieren sollen, während die zentralen Probleme des Kreises unverändert auf dem Tisch liegen. Gleichzeitig beschwört die Parteispitze Einigkeit und warnt vor einer angeblichen „Unregierbarkeit“, falls andere politische Kräfte stärker vertreten wären. Das klingt eher nach Wahlkampfrhetorik als nach einem tragfähigen Zukunftsplan.

Am Ende bleibt ein Punkt, der schwerer wiegt als jede Parteitagsshow. Wenn eine Kreispartei 72 Kandidatinnen und Kandidaten aufstellt, aber niemand davon als Spitzenkandidat infrage kommt, der ein Kreistagsmandat tatsächlich antreten würde, sagt das mehr über den Zustand der CDU Lahn-Dill aus als jedes Wahlprogramm. Es ist mindestens bemerkenswert, wenn die Partei so wenig Vertrauen in ihre eigene Mannschaft hat, dass sie ausgerechnet einen Landrat auf Platz eins setzt, der aus rechtlichen Gründen nur dann antreten dürfte, wenn er zuvor sein Amt aufgibt. Wer von Verantwortung spricht, sollte sie nicht ausgerechnet beim Spitzenplatz auf dem Papier belassen.


Disclaimer: Dieser Artikel stellt eine politische Meinungsäußerung dar. Er enthält ausschließlich wertende Einschätzungen und keine neuen Tatsachenbehauptungen. Die Veröffentlichung erfolgt im Rahmen der durch Artikel 5 Grundgesetz geschützten Meinungsfreiheit und stellt keine rechtliche Beratung dar.

© 2025 Mirko Fuchs
Foto: KI-generiert
Quelle: mittelhessen.de


 


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