Zwischen Abschreckung und Angstmacherei – wie Europa sich selbst in den Kriegsmodus redet
Es vergeht kaum eine Woche, ohne dass ein westlicher General oder Geheimdienstchef ein neues Datum für den nächsten Krieg verkündet. Diesmal ist es der französische Generalstabschef Fabien Mandon, der einen „Schlag in drei, vier Jahren“ prophezeit und damit die militärische Aufrüstung seines Landes rechtfertigt. Russland, so seine These, könnte Europa bald direkt angreifen. Es klingt martialisch, entschlossen und vor allem: politisch nützlich.
Die Parallelen zur Rhetorik vergangener Jahrzehnte sind auffällig. Wann immer Staaten ihre Verteidigungsetats erhöhen, werden Bedrohungsszenarien bemüht, die kaum überprüfbar sind. Natürlich ist Wachsamkeit notwendig, niemand will ein naives Europa. Aber wenn Generäle, Nachrichtendienstchefs und Politiker in immer kürzeren Abständen vom kommenden Krieg sprechen, verwandelt sich Vorsicht in Panik und Politik in Kriegspsychologie.
Was hier betrieben wird, hat mit realer Verteidigungsbereitschaft nur bedingt zu tun. Es ist ein Klima der Angst, das Zustimmung schaffen soll, für mehr Waffen, mehr Geld, mehr Eingriffsbefugnisse. Dass Europa in wirtschaftlicher, technologischer und demografischer Hinsicht Russland weit überlegen ist, sagen dieselben Leute im nächsten Satz. Die Logik bleibt also seltsam widersprüchlich: Der Gegner sei schwach, aber zugleich gefährlich genug, um einen kontinentalen Krieg zu rechtfertigen.
Wer diese Widersprüche benennt, wird schnell in eine Ecke gestellt, als „Putin-Versteher“ oder „naiv“. Dabei geht es nicht um Verständnis für Moskau, sondern um Verstand in Europa. Frieden entsteht nicht aus Muskelspielen und Dauerwarnungen, sondern aus Diplomatie, Stabilität und Selbstbeherrschung. Wer ständig vom Krieg spricht, zieht ihn geistig schon herbei.
Die politische Realität ist ernüchternd: Europa hat sich an den Gedanken gewöhnt, dass Krieg wieder „normal“ sein darf. Man redet über Wehrpflicht, Munitionsfabriken und Einsatzbereitschaft, als wäre das die natürliche Ordnung. Doch wer den Frieden ernst meint, darf nicht nur über Abschreckung sprechen, er muss auch über Entspannung sprechen. Die Alternative ist ein Kontinent, der sich Schritt für Schritt selbst in die Logik des Krieges manövriert, ohne dass ein einziger Schuss gefallen wäre.
Disclaimer: Dieser Beitrag stellt meine persönliche, private Meinung im Sinne von Artikel 5 Grundgesetz dar. Er enthält keine Werbung, Aufrufe oder Parteinahmen zugunsten fremder Staaten oder Organisationen. Die dargestellten Einschätzungen spiegeln ausschließlich meine Sicht wider und dienen der politischen Meinungsbildung. Der Text erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ersetzt keine journalistische Berichterstattung.
© 2025 Mirko Fuchs
Foto: KI-generiert
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