Zwischen Schraubstock und Stillstand: Hessens Industrie kämpft

Hohe Kosten, fehlende Fachkräfte, lähmende Bürokratie – Mittelhessens Industrie steckt im Stimmungstief, und die Politik scheint nur zuzusehen.

Es ist Herbst, und mit ihm weht in den Werkshallen Mittelhessens ein kalter Wind. Nicht von draußen, sondern aus der Realität. Die Maschinen laufen, aber die Zuversicht steht still. Laut der aktuellen Herbstumfrage von Hessenmetall Mittelhessen bewerten über ein Fünftel der Unternehmen ihre Lage als schlecht, mehr als die Hälfte als lediglich „befriedigend“. Nur ein Viertel spricht überhaupt noch von einer guten Geschäftslage. Das ist kein Stimmungsbild mehr, das ist ein Alarmsignal.

„Eigentlich katastrophal“, nennt es Oliver Rüspeler, Vorsitzender von Hessenmetall Mittelhessen und Geschäftsführer der Johannes Hübner Fabrik elektrischer Maschinen. Wenn ein Branchenkenner diesen Begriff wählt, sollte man hinhören. Doch in Berlin scheint das Summen der Klimaanlagen lauter zu sein als die Stimmen derer, die noch Wertschöpfung im Land betreiben.

Die Erträge der Betriebe sinken, während die Kosten explodieren – Energie, Abgaben, Auflagen. Der Umsatz mag bei manchen stabil bleiben, doch das ist reine Kosmetik: Wenn am Ende nichts mehr übrig bleibt, droht Investitionsstillstand. „Wenn man die Liquiditätslage abfragen würde, würde man erst recht erschrecken“, so Rüspeler.

Die Symptome sind bekannt – aber keiner behandelt sie

Hessenmetall fordert, was die Politik seit Jahren verspricht und nie liefert: Bürokratieabbau, Entlastung bei Lohnnebenkosten, bezahlbare Energie, faire Unternehmensbesteuerung. Stattdessen werden die Formulare länger und die Strompreise höher.

„Egal, wo wir hingreifen, wir greifen ins Leere“, sagt Rüspeler.

Sein Stellvertreter, Wolfram Kuhn von der Herborner Pumpentechnik, bringt es noch deutlicher auf den Punkt: „Wo keine Erträge, da keine Investitionen.“ Und wo keine Investitionen, da bald keine Arbeitsplätze.

Dass energieintensive Betriebe abwandern, ist längst keine theoretische Gefahr mehr – sie passiert. Jede Fabrik, die schließt, zieht ganze Familien mit in den Abgrund. Arbeitsplätze, die einmal verloren sind, kommen in der Regel nicht wieder.

Hinzu kommt der Personalmangel. Selbst für hochqualifizierte Stellen finden sich kaum Bewerber. Rüspeler fordert, die Begeisterung für Technik schon in den Schulen zu wecken. Doch wie soll Begeisterung entstehen, wenn junge Menschen jeden Tag hören, Industrie sei schmutzig, laut oder von gestern?

Es geht längst nicht mehr nur um Bilanzen

Kuhn erinnert daran, dass Industrie die Grundlage des gesellschaftlichen Wohlstands ist: „Nur wenn sie sich weiterentwickeln kann, geht es der ganzen Bevölkerung gut.“ Doch in der öffentlichen Wahrnehmung ist der Unternehmer inzwischen der Bösewicht, der Profit über alles stellt – und nicht der, der Arbeitsplätze schafft, Steuern zahlt und Lehrlinge ausbildet.

„It’s the economy, stupid!“ – der Spruch, mit dem Bill Clinton 1992 die US-Wahlen gewann, gilt heute wieder. Nur dass man ihn hierzulande offenbar vergessen hat.

Ein Land, das sich selbst im Weg steht

In einer Zeit, in der Entscheidungen immer weiter vertagt werden, mahnen Mittelhessens Unternehmer endlich Handeln an, notfalls in kleinen Schritten. Die Industrie will sich verändern, sie will transformieren, sie will ihren Teil leisten. Aber dafür braucht sie Luft zum Atmen, nicht noch mehr Vorschriften, Abgaben und Misstrauen.

Die eigentliche Frage lautet: Wann begreift die Politik, dass man ohne produzierendes Rückgrat auch keine Zukunft exportieren kann?


Quellen:

  • Hessenmetall Mittelhessen: Herbstumfrage 2025 zur wirtschaftlichen Lage der Metall- und Elektroindustrie in Mittelhessen, veröffentlicht im Oktober 2025.
  • Presseberichte u. a. Mittelhessen.de (Artikel „Stimmungstief in Metall-Betrieben hält an“, veröffentlicht am 28.10.2025).
  • Eigene Auswertung und Meinungsanalyse auf Basis öffentlich zugänglicher Informationen.

Disclaimer: Dieser Beitrag stellt eine private Meinungsäußerung dar. Er basiert auf öffentlich zugänglichen Informationen und spiegelt ausschließlich die persönliche Einschätzung des Autors wider. Der Text erhebt keinen Anspruch auf journalistische Vollständigkeit und ersetzt keine rechtliche, steuerliche oder wirtschaftliche Beratung.

© 2025 Mirko Fuchs
Foto: KI-generiert


 


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