Chatkontrolle bleibt Massenüberwachung – egal wie freundlich man sie nennt
Die geplante EU-Chatkontrolle wird derzeit als harmloses Instrument verkauft. Freiwillig soll sie sein, technisch sauber, moralisch alternativlos. In der politischen Praxis ist sie nichts davon. Sie ist ein tiefgreifender Eingriff in die private Kommunikation von Millionen Bürgern und sie bleibt genau das, auch wenn man sie sprachlich weichspült.
Private Chats sind kein öffentlicher Raum. Sie unterliegen dem Schutz des Fernmeldegeheimnisses und gehören zum innersten Bereich der Privatsphäre. Wer jede Nachricht präventiv durchsuchen lässt, behandelt alle Bürger als potenzielle Verdächtige. Das ist ein Paradigmenwechsel im Rechtsstaat. Nicht mehr der konkrete Verdacht rechtfertigt Ermittlungen, sondern die bloße Existenz von Kommunikation.
Der Verweis auf Kinderschutz klingt moralisch stark, ersetzt aber keine rechtsstaatliche Begründung. Täterbekämpfung ist Aufgabe gezielter Ermittlungen, nicht flächendeckender Überwachung. Wer glaubt, mit algorithmischer Massenkontrolle Straftaten zu verhindern, verkennt sowohl die technische Realität als auch die rechtlichen Folgen. Sicherheitslücken, die absichtlich eingebaut werden, schwächen Verschlüsselung für alle. Sie treffen Journalisten, Ärzte, Anwälte und ganz normale Bürger zuerst. Kriminelle weichen aus. Das tun sie immer.
Freiwillig nur dem Namen nach
Besonders problematisch ist das Konzept der angeblichen Freiwilligkeit. Wenn Messenger-Dienste faktisch nur noch nutzbar sind, wenn man der Überwachung zustimmt, ist das keine freie Entscheidung. Es ist eine erzwungene Einwilligung unter Nutzungsdruck. Juristisch ist das ein bekanntes Konstrukt. Politisch ist es ein Trick.
Die Erfahrung zeigt, wie solche Modelle enden. Was als freiwillige Option beginnt, wird schrittweise zum Standard erklärt. Wer sich entzieht, gilt als verdächtig oder wird technisch ausgeschlossen. Wahlfreiheit existiert dann nur noch auf dem Papier. Das beschädigt nicht nur Grundrechte, sondern auch das Vertrauen der Bürger in staatliche Zusagen.
Hinzu kommt eine offensichtliche Schieflage. Während auf europäischer Ebene Transparenz regelmäßig eingefordert wird, bleibt sie in zentralen Fragen selbst aus. Die Forderung nach immer mehr Überwachung der Bevölkerung steht im Widerspruch zu einer politischen Praxis, die sich selbst gern der Nachvollziehbarkeit entzieht. Wer Kontrolle ausübt, muss sie auch aushalten. Alles andere ist Machtdemonstration, kein Rechtsstaat.
Am Ende bleibt eine einfache Erkenntnis. Freiheit stirbt selten mit einem großen Knall. Sie wird schrittweise ausgehöhlt, gut begründet, technisch verpackt und moralisch legitimiert. Die Chatkontrolle ist kein Ausrutscher, sondern Teil genau dieser Entwicklung.
Disclaimer: Dieser Artikel stellt eine politische Meinungsäußerung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 GG dar. Er bewertet öffentlich diskutierte Gesetzesvorhaben und politische Positionen allgemein. Es werden keine nachprüfbaren Tatsachen über einzelne Personen behauptet oder unterstellt. Eine Diffamierung oder Herabwürdigung ist nicht beabsichtigt.
© 2025 Mirko Fuchs
Foto: KI-generiert
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