Wenn die Mitte plötzlich der Rand ist

Wenn Normalität zum Verdachtsmoment wird

Es ist schon bemerkenswert, was in diesem Land inzwischen als „radikal“ gilt. Früher bezeichnete man so Leute, die Brandsätze warfen, Hetze verbreiteten oder anderen Schaden zufügten. Heute reicht es, wenn jemand sagt, dass es zwei Geschlechter gibt. Oder wenn er Frieden will, statt Waffenlieferungen. Oder wenn sie sich in Tracht auf ein Dorffest stellt und das Ganze nicht für einen nationalistischen Aufmarsch, sondern für Heimatpflege hält.

Was einmal als gesunder Menschenverstand galt, steht heute unter Ideologieverdacht. Die öffentliche Debatte hat sich derart verschoben, dass selbst gemäßigte Stimmen in die rechte Ecke gedrängt werden. Nicht, weil sie hassen, sondern weil sie nicht im Chor mitsingen. Das Etikett „rechtsradikal“ ist zum politischen Schlagstock geworden. Es spart Argumente und ersetzt Nachdenken durch Empörung.

Dabei war die Idee der Demokratie doch immer, dass man streiten darf, sachlich, offen, respektvoll. Doch inzwischen scheint es nur noch zwei Kategorien zu geben: wer zustimmt, und wer verdächtig ist. Der Raum zwischen diesen beiden Polen, also der Ort, an dem früher Diskussion stattfand, wird zusehends enger. Und mit ihm schrumpft die Freiheit, eine eigene Meinung zu haben, ohne sofort auf einem Etikett zu landen.

Heimatliebe gilt als anrüchig, Tradition als rückständig, Frieden als naiv. Wer sich traut, das Gegenteil zu sagen, darf sich auf eine moralische Vorladung gefasst machen. Medien, Politik und Teile der Gesellschaft haben eine bequeme Lösung gefunden: Wer nicht dazugehört, wird aussortiert. Die Methode ist einfach und wirksam, die Menschen möchten in der Öffentlichkeit nicht als „rechts“ gelten, also schweigt man lieber.

Doch eine Gesellschaft, die das Schweigen fördert, verliert ihre Mitte. Sie verliert das Vertrauen in Vernunft, in Maß, in Toleranz. Wer abweichende Gedanken nur noch flüsternd äußert, der lebt nicht in einer freien, sondern in einer verängstigten Gesellschaft. Und das ist das eigentlich Gefährliche: Nicht der Streit zerstört den Zusammenhalt, sondern das Schweigen aus Angst vor Etiketten.

Es ist nicht radikal, an kulturelle Wurzeln zu glauben oder Krieg abzulehnen. Radikal ist, anderen das Denken abzusprechen. Denn wer Vielfalt fordert, muss sie auch aushalten, selbst dann, wenn sie unbequem klingt.


Disclaimer: Dieser Beitrag stellt eine private Meinungsäußerung im Sinne von Artikel 5 Grundgesetz dar. Er enthält keine politischen Handlungsaufforderungen und keine Schmähkritik, sondern reflektiert gesellschaftliche Entwicklungen aus persönlicher Perspektive. Jegliche Bezugnahmen auf Personen oder Institutionen dienen ausschließlich der Meinungsbildung und nicht der Herabwürdigung.

© 2025 Mirko Fuchs
Foto: KI-generiert


 


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