Wer nicht passt, fliegt raus – Kreistag gegen Opposition

Die Würde des Hauses oder die Angst vor klaren Worten?

Der Fall Lothar Mulch im Lahn-Dill-Kreistag ist ein Paradebeispiel dafür, wie politische Institutionen mit unbequemen Stimmen umgehen. Ein gewählter Mandatsträger wird aus einer Sitzung geworfen, nicht weil er Gewalt angewendet oder die Geschäftsordnung faktisch blockiert hätte, sondern weil er mit seiner Wortwahl den politischen Gegner zu sehr getroffen hat. Das ist der Kern der Sache.

Die Formulierung „Blut an den Händen“ ist keine neue Vokabel, die sich Mulch ausgedacht hat. Sie ist eine geläufige Redewendung in der deutschen Sprache, eine Metapher, die moralische Verantwortung zuspitzt. Politiker, Journalisten und Aktivisten aller Couleur haben sie in den vergangenen Jahrzehnten verwendet, wenn sie Verantwortung für Kriege, Waffenlieferungen oder politische Fehlentscheidungen anprangern wollten. Zu behaupten, hier sei die Grenze zur Strafbarkeit überschritten, wirkt deshalb konstruiert. Es ist eine symbolische Redeweise – keine strafrechtliche Schuldzuweisung. Wer das anders darstellt, biegt die Debatte zurecht, um einen politischen Gegner zu disziplinieren.

Es fällt auf, dass alle Fraktionen außer der AfD mit bemerkenswerter Einigkeit gegen Mulch gestimmt haben. Man könnte es als „Geschlossenheit“ verkaufen, tatsächlich sieht es nach einem bequemen Schulterschluss aus, um unliebsame Kritik auszublenden. Denn seien wir ehrlich: wenn ein Abgeordneter aus einer Randpartei spricht, hört die Mehrheit ohnehin nicht zu. Der Saalausschluss macht es jetzt amtlich – man will sich mit diesen Argumenten nicht auseinandersetzen.

Demokratie ist jedoch kein Streichelzoo, in dem alle freundlich nicken, bis die Sitzung endet. Demokratie lebt vom Streit, auch von Übertreibung, von harter Sprache und scharfen Vorwürfen. Wer das nicht erträgt, sollte sich fragen, ob er wirklich in einem Parlament sitzt – oder nicht besser in einem Debattierclub für Hochglanzreden aufgehoben wäre.

Mulchs Entscheidung, juristisch gegen den Ausschluss vorzugehen, ist daher nur konsequent. Ein Gericht muss prüfen, ob die Meinungsfreiheit hier tatsächlich verletzt wurde und ob der Sitzungsausschluss wirklich das „mildeste Mittel“ war – oder ob er in Wahrheit als Instrument zur Disziplinierung einer Opposition missbraucht wurde. Das freie Mandat darf nicht durch die Empfindlichkeiten eines Vorsitzenden oder durch die Mehrheitsmeinung der Fraktionen beschnitten werden.

Wer im Parlament nur noch Worte zulässt, die niemandem weh tun, sorgt für eine leere Hülle ohne politischen Biss. Das ist das eigentliche Problem am Fall Mulch: nicht seine Wortwahl, sondern die Intoleranz gegenüber zugespitzter Kritik.


Disclaimer: Dieser Text stellt eine persönliche Stellungnahme dar. Er erhebt keinen Anspruch auf juristische Beratung im Einzelfall. Maßgeblich für die rechtliche Bewertung sind die einschlägigen Gesetze (insbesondere Art. 5 GG) sowie die Rechtsprechung der Gerichte. Für die konkrete Beurteilung einzelner Aussagen oder Verfahren ist ausschließlich eine rechtliche Prüfung durch ein hierzu befugtes Gericht oder einen Rechtsanwalt maßgeblich.


© 2025 Mirko Fuchs
Foto: KI-generiert
Quelle: Artikel auf
mittelhessen.de


 


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