Hessen schießt weiter – Natur bleibt auf der Strecke

Hessen, Jagd und die Lobby: Zeit für ein Ende der Hege-Mythen

In Hessen gibt es kaum ein Politikfeld, das so verstaubt und so gut gegen jede Veränderung abgeschottet ist wie die Jagd. Während über Landwirtschaft, Energiewende und Verkehr endlos gestritten wird, bleibt die Jagd ein sakrosanktes Relikt. Das liegt nicht daran, dass sie so wichtig wäre – sondern daran, dass die Jägerlobby perfekt vernetzt ist. Wer glaubt, es ginge um Naturschutz, sollte dringend seine Romantikbrille absetzen.

Jäger erzählen seit Jahrzehnten die gleiche Geschichte: Sie seien die „Hüter des Waldes“, ohne sie würde die Natur kollabieren, Wildschweine die Städte überrennen und Rehe den Wald kahlfressen. Praktischerweise sind sie damit nicht nur die angeblichen Beschützer, sondern auch die Richter und Henker zugleich. Dass sie dabei mit schweren Waffen in den Wald gehen, stört offenbar niemanden – Hauptsache, am Ende hängt ein Rehbock über dem Kamin.

Die Realität ist weniger heroisch: Viele Tierarten werden „reguliert“, weil sie den Forst- oder Jagdinteressen im Weg stehen. Füchse, Marder, Dachse – sie alle werden in Hessen jährlich zu Tausenden getötet, oft ohne jeglichen ökologischen Grund. Das hat mit Naturschutz ungefähr so viel zu tun wie Lobbyistenempfänge mit Bürgerbeteiligung.

Die hessische Politik macht es der Jägerlobby einfach. Jagdgesetze werden in enger Abstimmung mit den Verbänden geschrieben, und wehe, jemand wagt zu kritisieren, dass der Wald vielleicht nicht mehr nach dem Geschmack von 1950 bewirtschaftet werden sollte. Selbst grüne Umweltminister haben bisher keinen echten Reformwillen gezeigt – offenbar hat man Angst, die rustikale Wählerbasis auf dem Land zu verprellen.

Dabei wäre eine Reform längst überfällig: Mehr Schutz für Beutegreifer wie Luchs und Wolf, weniger Freizeitballerei auf Krähen und Füchse, strengere Auflagen für Jagdpächter. Aber solange die Politik brav nickt, wenn der Landesjagdverband ruft, passiert gar nichts.

Aktuellstes Beispiel: In Kassel wurde ein genehmigtes, von Bürgern getragenes Sterilisationsprojekt für Waschbären gestoppt – nicht von Behörden, sondern vom Landesjagdverband. Zehn Jahre lang wurde dort geschossen, ohne Erfolg. Als nun eine tierfreundliche, wissenschaftlich geprüfte Alternative kam, wurde sie torpediert. Offenbar will man nicht riskieren, dass ein funktionierendes Modell das Geschäftsmodell der Jagd infrage stellt.

Das Argument, ohne Jagd gäbe es keine gesunden Wälder, ist wissenschaftlich längst widerlegt. Waldumbau, natürliche Regeneration und gezielter Schutz junger Bäume funktionieren besser als ewige Abschusspläne. Was tatsächlich fehlt, ist die Bereitschaft, ökologische Prozesse auch mal auszuhalten. Jagd dagegen ist bequemer: Schießen, abhaken, weitermachen wie bisher.

Hessen braucht eine ehrliche Diskussion über die Rolle der Jagd. Weniger Romantik, mehr Fakten. Wildtiere sind kein Freizeitpark für Waidmänner, sondern Teil eines komplexen Ökosystems. Wer von Naturschutz redet, darf nicht gleichzeitig Lobbyinteressen bedienen, die sich hinter Grünröcken und Bruchzeichen verstecken.

Solange die Politik das Spiel mitspielt, bleibt die Jagd ein Privileg für wenige – bezahlt von der Allgemeinheit, auf Kosten der Natur.


Disclaimer: Dieser Artikel stellt meine persönliche Auseinandersetzung mit der Jagdpolitik in Hessen dar. Er gibt ausschließlich meine Meinung  wieder und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Neutralität. Alle genannten Sachverhalte beruhen auf öffentlich zugänglichen Informationen und eigener Bewertung. Die Inhalte sind nicht als Aufruf zu rechtswidrigen Handlungen oder persönlichen Angriffen zu verstehen.

© 2025 Mirko Fuchs
Foto: KI-generiert


 


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